Mythen und Legenden rund um die Kaninchenernährung!
Mythen und Legenden sind etwas wundervolles, sie können inspirieren, lehrreich sein und wichtige Lebensweisheiten vermitteln. Wenn es jedoch um die Haltung, Aufzucht und Pflege von Tieren geht, so stellen sich Mythen oft als wenig hilfreich heraus. Das Problem ist jetzt: Wie filtere ich die Fakten aus der ganzen, herumgeisternden Fiktion? In meinem ganz speziellen Fall musste ich mich genau dieser Problematik stellen als völlig unerwartet zwei liebreizende Zwergkaninchen bei uns einzogen.
Es gibt viele Dinge die auf einen frisch gebackenen Kaninchenhalter einprasseln, von der Haltung, über die Vergesellschaftung, bis hin zur richtigen Alters und Geschlechtskombination. Eines der komplexesten Themen ist jedoch tatsächlich die Ernährung dieser Tiere. Wobei die Ernährung an sich nicht die Wissenschaft ist, sondern die Tatsache, dass hunderte verschiedener Meinungen zu diesem Thema existieren, welche sich alle als “Fakten” verkleiden. Für einen Laien gleicht es einer Monsteraufgabe herauszufinden, wer denn nun Recht hat, wer falsch liegt, und wer vlt sogar gefährliche Fehlinformationen verbreitet!
Zuallererst muss man einmal wissen: Ernährungstechnisch gibt es tatsächlich keinen wesentlichen Unterschied zwischen Zwergkaninchen und den restlichen, größeren Rassen. Im Grunde bezeichnet man als Zwergkaninchen jedes Kaninchen das unter 2 kg wiegt. Kaninchen unter einem Kilogramm gelten im allgemeinen als zu klein und leiden vermehrt unter gesundheitlichen Problemen (Qualzucht)!
Tatsächlich haben alle unsere Hauskaninchenrassen, von den Riesen bis zu den Zwergen, ein und denselben Vorfahren: Das europäische Wildkaninchen. Zudem kommt, dass sich die Verdauungsorgane unserer Hauskaninchen, in den 500 Jahren in denen wir sie nun schon domestizieren kaum verändert haben. Es kam lediglich zu einer leichten Verkürzung des Darmes. Wir können also das Fressverhalten des europäischen Wildkaninchens beinahe 1 zu 1 als Vorlage für unsere Lieblinge nehmen. Wichtig: Besonders große Rassen (7kg+) und besonders kleine Rasse (unter 1,2 kg) haben teilweise etwas speziellere Ernährungsbedürfnisse! Deshalb werde ich hier lediglich auf die Klein bis mittelgroßen Rassen eingehen (alles zwischen 1,5 bis 4 kg).
Von was ernähren sich diese wilden Vorfahren jetzt? In erster Linie von frischen Gräsern, Kräutern, Blättern, Rinden und Zweigen. Wenn es sich ergibt natürlich auch von Gemüsepflanzen oder Wurzeln und auch von trockenen Gräsern. Dazu kommt das sowohl Wildkaninchen als auch unsere Hauskaninchen, Vitamine in ihrem Blinddarm synthetisieren, ausscheiden und mit dem sog. Blinddarmkot wieder aufnehmen. Dieser Blinddarmkot riecht meist streng und kann sehr weich sein. Das ist aber vollkommen normal. Es ist extrem wichtig das euer Kaninchen diesen Kot aufnimmt damit er nochmals den Verdauungsprozess durchläuft um die darin enthaltenen Vitamine aufzunehmen. Ich finde das irrsinnig faszinierend!
So weit so schön.
Dann hoppelte der erste Mythos um die Ecke: “ Sie müssen den Kaninchen regelmäßig hartes Brot für den Zahnabrieb geben!”
Falsch, wie wir wissen ist die optimale Ernährung unserer Kaninchen ein Gemisch aus verschiedenen frischen Kräutern, Gräsern und Gemüsesorten sowie trockenen Gräsern (Heu). Die darin enthaltene Rohfaser hält nicht nur den Darm in Bewegung, sondern die in diesem Futter enthaltene Kieselsäure sorgt auch für einen optimalen Zahnabrieb.
Dann kam eine weitere Legende:” Kaninchen ernähren sich nur von Heu und brauchen eigentlich fast kein Frischfutter. Sie brauchen nur die Rohfaser im Heu!”
Leider auch falsch. Ja, es stimmt, das ideal ernährte Kaninchen braucht auch Heu “ad libitum” (so wie auch das Frischfutter). Erstens dient es dem Kaninchen tatsächlich als Beschäftigung. Man kann sie oft beobachten wie sie ganz begeistert und gezielt bestimmte Heuhalme aus dem Heuberg ziehen um sie zu fressen. Dieses Selektieren entspricht nicht nur ihrer Natur, es beschäftigt sie auch. Des weiteren hilft auch das Heu durch den hohen Rohfaseranteil beim Zahnabrieb, außerdem wird das Heu wesentlich länger “zermahlen” als das Frischfutter, dabei schleifen sich tatsächlich auch die Schneidezähne (die ein Leben lang wachsen) durch die Kaubewegung weiter ab. Außerdem müssen Kaninchen im Grunde ständig fressen. Da ihr langer Darm eine nur geringe Peristaltik aufweist müssen sie, vereinfacht ausgedrückt, immer Nahrung nachschieben damit diese nicht im Darm liegen bleibt und zu Problemen führt.
Auch wichtig, gerade in den Wintermonaten kann es mitunter schwierig sein, an genügend Frischfutter zu kommen und hochwertiges Heu ist hier ein exzellenter Nährstoff- und Minerallieferant. Also ja, Heu ist gut und wichtig, aber eben nur als Teil einer ausgewogenen Ernährung.
Der nächste Mythos der mir dann begegnete lautete: “Kaninchen brauchen viel Getreide und sollten nur wenig Frischfutter fressen, da sie dadurch Durchfall bekommen!”
Getreide ist tatsächlich sehr schlecht. Besonders diese ganzen “Junkfood”-Mischungen die man in den Tierhandlungen so bekommt. Nicht nur das diese Mischungen oft mit Geschmacksverstärkern versehen sind, damit das Tier möglichst viel davon frisst, sind sie auch viel zu fetthaltig! Eine Fütterung auf Getreidebasis führt zu Übergewicht, Fettleber und zu einer extrem verkürzten Lebenserwartung. Finger weg davon! Eure Kaninchen bekommen schon über hochwertiges Heu genügend Gras- und auch Getreidesamen, in einer geringen, aber ausreichenden Menge.
Ansonsten sind hochwertige frische Kräuter und Gräser (und die darin enthaltenen Samen) die wichtigsten Energielieferanten. Sie versorgen euren Liebling mit allen notwendigen Kohlenhydraten, Fetten, Eiweißen, Vitaminen und Mineralien. Dazu noch das Heu...PERFEKT. Und keine Angst, von Frischfutter bekommen sie in der Regel keinen Durchfall. Ihr gesamtes Verdauungssystem ist auf rohfaserhaltiges Frischfutter ausgelegt. Durchfall bekommen sie nur durch falsche Gemüsesorten (oder auch durch Infektionen). Denn nicht jedes Gemüse darf und soll verfüttert werden. Hinzu kommt, dass auch manche Kaninchen, durch falsche Züchtung etc, bestimmte Sachen besser vertragen als andere. Also auch hier immer beachten: Neue Kräuter, Gemüsesorten etc, immer erst in kleinen Mengen anbieten und probieren.
Und wundert euch nicht, Kaninchen die immer ausreichend Frischfutter zur Verfügung haben, trinken sehr wenig, da Kaninchen den Großteil des benötigten Wassers aus der Nahrung ziehen.
Wie ihr also seht, im Grunde keine grosse Magie, wenn man das Dickicht der Mythen und Legenden einmal “beseitigt” hat: Frisches Grün, Heu und ab und an ein paar frische Zweige und Rinde zum knabbern...und eure Kaninchen werden vor Vitalität, Tatendrang und guter Laune nur so strahlen...und das ist es doch was wir wollen. Das es unseren Tieren gut geht, das sie glücklich und gesund sind!
In diesem Sinne wünsche ich euren “Ninchen”:
Guten Appetit